Wenn im Jahr 2016 das Baugesetzbuch geändert wird, nach Jahrzehnten des Redens über Nachhaltigkeit, nach Klimakonferenzen wie wenige Tage zuvor in Marrakesch, und ebenfalls wenige Tage nach der feierlichen Verabschiedung eines Klimaschutzplans 2015, dann sollte man meinen, die Änderungen könnten nur in eine Richtung gehen: Klima schonen, Boden schützen, weniger zersiedeln und weniger versiegeln. Doch genau das Gegenteil trifft zu, denn mit einem Doppelschlag heizt die Bundesregierung die Bauwut vor und in den Städten an. Vor den Städten darf nämlich nun schneller gebaut werden, anders gesagt regelt §13b, dass im Außenbereich das sogenannte beschleunigte Planungsverfahren angewendet werden darf – es wird also einfacher, Äcker und Wiesen in Bauland umzuwandeln, denn man spart sich so unangenehme Dinge wie „die frühzeitige Unterrichtung der Öffentlichkeit und eine Erörterung. Die sonst obligatorische Umweltprüfung kann ebenso entfallen wie Ausgleichsmaßnahmen, und auch lästige Nachfragen seitens der Umweltbehörden sind nicht vorgesehen“, so fasst es Michael Bauchmüller in der Süddeutschen Zeitung zusammen.
Diese fatale Änderung ging im Medienecho beinahe unter, weil eine zweite Neuheit laut beklatscht wurde: Das „urbane Gebiet“ soll angeblich im Planungsrecht erleichtern, dass lebendige städtische Quartiere entstehen mit einer Mischung aus Arbeiten und Wohnen (mehr Infos in der Süddeutschen). Hört sich gut an, wenn es denn wirklich darum ginge, und wenn tatsächlich Haus für Haus die Nutzungen kleinteilig gemischt würden, wie wir es aus Gründerzeitvierteln kennen. Tatsächlich aber könnte es sich um einen Etikettenschwindel handeln, der die neuen Regeln – etwa für geringeren Lärmschutz – nur nutzt, um reine Wohnblocks an lauten Orten zu bauen; so ähnlich klingt die Befürchtung von Thomas Lüttgau von der Kanzlei Lenz und Johlen in der Immobilien Zeitung. Noch deutlicher beschreibt Eva Lohse das Ziel der Änderung, die Präsidentin des Deutschen Städtetags: Das Recht werde geändert, „damit wir möglichst viel schnell bauen können“ sagt sie im WDR5 Morgenecho.
Die lebendige Mischung aus Arbeiten und Wohnen könnte man bereits mit dem bisherigen Recht auch in neu gebauten Stadtvierteln erschaffen, wie das Französische Viertel Tübingen beweist (siehe das Buch „Verbietet das Bauen!“, Seite 51). Bereits in den Neunziger Jahren entstand dort ein Quartier für über zweitausend Menschen, die in den Obergeschossen wohnen, während fast alle Erdgeschosse sich öffnen mit Ladenlokalen für Handel, Büros und Werkstätten. „Neubau wie Altbau“ titelte es auf dazu auf diesem Blog, und der Planer Andreas Feldtkeller erklärte im Gespräch ebenfalls hier auf dem Blog, dass es dafür vor allem notwendig sei, das Planungsmittel der „städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme“ anzuwenden. Doch obwohl es wie im Französischen Viertel auch überall möglich wäre, bauen die Kommunen nicht derart bunt gemischte Stadtviertel, sondern monotone reine Gewerbegebiete und Shopping-Center und Wohnsiedlungen.
Das neue „urbane Gebiet“ soll also vor allem für mehr Neubau in neuen Baugebieten in den Städten sorgen, etwa in der Nähe von Gewerbegebieten, während die Änderung von § 13b gleichzeitig vor den Städten mehr Grünland zu Bauland umwandeln lässt: ein doppelter Schlag um mehr zu bauen und weniger Klima zu schützen. Dazu passt ein weiterer Plan der Bundesbauministerin Barbara Hendricks: Sie will mit einer neuen Förderung „gerade denjenigen das Bauen ermöglichen, bei denen das Geld gerade nicht reicht“, so eine Formulierung aus „Verbietet das Bauen!“ (Seite 22), bei der es um die Immobilienkrise 2007 geht. Die wurde nämlich exakt durch solche Bauwut eingeleitet.
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