Die Städte und Regionen entwickeln sich hierzulande so ungleich, dass eine Karte mit den Höhen und Tiefen dieser Entwicklung ein zerklüftetes Land zeigen würde, ein Land mit Gefällen zwischen Boomtowns und Schrumpfstädten. Gleich drei ganz ähnliche Karten wandern in diesen Tagen durch die Medien und machen drei Studien anschaulich, die eines gemeinsam haben: Sie zeigen die Dramatik der regionalen Ungleichheit in Deutschland – und mancher zieht daraus merkwürdige Schlüsse.
Wie sich die Zahl der Einwohner in deutschen Städten und Kreisen entwickeln wird, diese Vorhersage bildet die Grundlage auch für die Entwicklung beim Bauen. Schauen wir also auf das Rosa und Blau der obigen Abbildung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und sehen als Ergebnis von deren Untersuchungen: „Die Unterschiede zwischen Stadt und Land vergrößern sich“, wie das BBSR selbst titelt. Extremer formuliert: „Das platte Land droht zu veröden“, wie die Immobilien Zeitung schreibt. Und was folgt daraus? Mehr abreißen! Das fordert zumindest der GdW Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, zitiert die Immobilien Zeitung, denn 2015 planten die Firmen „nur“ gut 6.000 Wohnungen in den neuen Ländern abzureißen. Dort standen Ende 2014 insgesamt 580.000 Wohnungen leer. Ist also alles, was den Lobbyisten angesichts solcher Zahlen einfällt, die Forderung, die Häuser plattzumachen? Selbstverständlich ist es eine riesige Aufgabe, etwas gegen die regionale Ungleichheit zu unternehmen, und ihr widmen sich im Buch „Verbietet das Bauen!“ gleich 10 der 50 Werkzeuge, die Neubau überflüssig machen. Aber selbst von einem Lobbyverband sollte man etwas mehr Differenzierung erwarten können.
Zuviel oder viel zuviel bauen
Im Vergleich dazu durchaus komplex sind die Empfehlungen vom Institut der deutschen Wirtschaft, das in diesen Tagen ebenfalls eine Studie herausgegeben hat, und diese „Klüger bauen“ betitelt. Das Institut analysiert, in welchen Städten und Kreisen „mehr gebraucht“ wird als gebaut wird, und wo mehr gebaut als gebraucht wird. Die Grundlage dafür bilden natürlich
die Prognosen dazu, wie die Bevölkerung sich entwickelt, sowie das Alter der Menschen und der damit steigende Bedarf an Wohnfläche. All das wird zwar als gegeben betrachtet, was dem Geist meines Buches völlig widerspricht – meines Erachtens sollten wir ganz unbedingt daran arbeiten, wieviel Fläche pro Person beansprucht wird, und darum widmen sich sehr viele der Werkzeuge (Beispiele und Anregungen) des Buches der Frage, auf welche Weise wir zusammen leben und zusammen arbeiten. Und doch stellt die Studie immerhin klar, dass in weiten Teilen Deutschlands mehr gebaut wird, als nötig, was bei einem wirtschaftsfreundlichen Institut angenehm überrascht. Einer der Vorschläge der Forscher, wie der regionalen Ungleichheit begegnet werden kann, entspricht ziemlich genau Werkzeug Nr. 44: Boomstädte und Schrumpfregionen besser miteinander verbinden. Das Institut nennt als Beispiel die benachbarten Städte Düsseldorf und Wuppertal und rät dazu, dort in die Infrastruktur zu investieren. Nun kann man zwar per ICE und S-Bahn bereits ebenso flott zwischen diesen Nachbarorten pendeln wie per Autobahn, aber ein Radschnellweg wäre hier genau richtig. Übrigens gibt es selbst bei besten Verbindungen zwischen Boomtowns und Schrumpfstädten viele Menschen, die trotzdem nie im Leben von Düsseldorf aus in die schrumpfende Nachbarstadt ziehen würden, sei es Wuppertal oder Duisburg – das Image ist schuld. Was man dann notfalls tun kann, steht im Werkzeug Nr. 50 des Buches, lassen Sie sich überraschen.
Fast jedes zehnte Ladengeschäft könnte schließen
Der mit diesem Zwischentitel verbundene traurige Ausblick stammt aus der dritten Studie, die hier vorgestellt wird, und die sich mit einer Folge der Schrumpfung beschäftigt, die das Leben in den Städten enorm beeinflusst: dem Handel, den lebendigen oder verödenden Handelsstraßen und Stadtzentren. Sie sind so prägend für unser tägliches Leben, dass sich Kapitel 12 des Buches nur diesem Thema widmet und auch die Konzentration des Handels anspricht, mit Shopping-Centern, Möbelmärkten und Fachmarktzentren. Zusammen mit dem Wachstum des Online-Handels und der regionalen Ungleichheit führt dies womöglich dazu, so die Studie des Instituts für Handelsforschung (IfH), dass in den nächsten fünf Jahren bis zu 45.000 Läden aufgeben könnten. Bei den Konsequenzen, die man aus dieser Gefahr ziehen könnte, fehlt
allerdings eine entscheidende: den Neubau stoppen, seien es Shopping-Center mitten in den Städten oder 100.000-Quadratmeter-Lagerhallen des Online-Handels außen herum.
Mehr Informationen zum Buch „Verbietet das Bauen!“ gibt es hier, bestellen können Sie es bei Ihrem Buchhändler oder direkt beim Verlag.
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